Musik als völkerverbindende Sprache, der bürgerliche Salon der Pauline Viardot als Treffpunkt der großen Herrscher Europas, dies war das Thema eines Vortrags des jungen französischen Historikers Thomas Cousin vor 70 Schülern der Musik-, Geschichts- und Französischkurse des Goethe-Gymnasiums.
Pauline Viardot war im 19. Jahrhundert so berühmt wie heute eine Adele, veranschaulichte Cousin der Schülerschaft. Man traf sich in ihrem privaten Salon, um den faszinierenden Musikstar zu hören, doch eine solche Soirée – etwa in Baden-Baden in den 1860er Jahren – war zugleich eine Vereinigung von Bürgertum und Adel, Zar, Kaiser und Queen. So verwirklichte die Sängerin ganz nebenbei die europäische Idee, lange bevor eine Europäische Union in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, erst nach zwei Weltkriegen, verwirklicht wurde.
Dabei erklärte Cousin, durch welche biographischen und politischen Zusammenhänge die große Musikerin von Madrid bis nach Sankt Petersburg berühmt wurde. Da ihr Ehemann Louis Viardot als Republikaner die französische Monarchie ablehnte, waren es politische Gründe, die sie dazu bewegten, jahrelang die Bühnen außerhalb Frankreichs zu erobern.
Die Vielsprachigkeit und die kulturelle Offenheit der Europäerin spielten dabei eine entscheidende Rolle. Pauline Viardot beherrschte 5 Sprachen fließend, sie verstand russisch und konnte auf französisch, spanisch, englisch, italienisch und deutsch wirken als Gast und Gastgeberin, als Kulturvermittlerin und Networkerin. Der 28-jährige Cousin ist selbst begeisterter Europäer, er lebte bereits in Frankreich, Italien, Polen und den USA und arbeitet im Europaparlament in Brüssel. Er appellierte an die Schüler, Sprachen zu lernen und zu reisen, denn nur so verwirkliche sich die Idee eines friedlichen Europas, das alte und neue Nationalismen überwindet. Aus der Perspektive anderer Kontinente sei klassische Musik europäische Musik.
Der Vortrag wurde organisiert und übersetzt von Désirée Wittkowski, Musik- und Französischlehrerin am Goethe-Gymnasium, in Kooperation mit der Brahms-Gesellschaft Baden-Baden.
Désirée Wittkowski