Am 01. Februar 2023 begab sich die Klassenstufe 9 nach Frankreich in die Vogesen, um das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof zu besuchen. Von Mai 1941 bis November 1944 diente es als Straf- bzw. Arbeitslager. Das Hauptlager in Struthof ist das einzige Konzentrationslager auf heutigem französischen Boden und liegt im damals besetzten Elsass. Insgesamt wurden etwa 52.000 Menschen aus ganz Europa nach Struthof deportiert. Dabei starben etwa 22.000 Menschen durch Mord, Krankheit, Entkräftung oder Mangelernährung.
Unser Besuch wurde begleitet von kleinen Präsentationen von uns Schülerinnen und Schülern selbst und von lehrreichen Berichten unseres Geschichtslehrers.
Bevor wir durch das Eingangstor das KZ betraten, besichtigten wir das Denkmal, welches zu Ehren der Opfer und Häftlinge des Lagers oberhalb des KZs errichtet wurde: das Mémorial national de la Déportation – ein riesiges Gebilde aus Stein, das die Größe des Lagers in den Schatten stellte. Darin eingemeißelt ist in überdimensionaler Größe ein abgemagerter Mensch. Wir interpretierten, dass die Figur einen ehemaligen Häftling symbolisieren könnte. Diese Häftlinge waren rechtlose Menschen, die hilflos den Wärtern, dem Klima und dem Schicksal ausgesetzt waren; Individuen, die zu einer Zahl, der Häftlingsnummer, degradiert worden waren. Die unzähligen Grabsteine hinter der Nekropole schockierten uns.
Ebenfalls außerhalb des eigentlichen Lager-Territoriums befindet sich die Villa des Lagerleiters Josef Kramer. Er lebte dort in Sichtweite der Baracken, bequem mit Garten und Pool – aber ohne seine Frau und seine Kinder, die unten im Dorf wohnten. Er war nicht nur Lagerkommandant, sondern beteiligte sich auch persönlich an den Morden in der Gaskammer. Seine Ehefrau, die in seinem Prozess nach Kriegsende aussagte, gab zu Protokoll, dass sie ihn als aufrichtigen Menschen wahrgenommen habe. Es wäre aber wohl nichts aus ihm geworden, so ihre Einschätzung, wenn er keine „Karriere“ im Nationalsozialismus hätte machen können. Später „stieg“ er noch zum Lagerkommandaten in Auschwitz-Birkenau und in Bergen-Belsen „auf“. Am 13. Dezember 1945 wurde Josef Kramer für seine Taten verurteilt und hingerichtet.
Von der Villa aus gingen wir anschließend in das KZ – zum Appellplatz. Jeden Tag fand dort die Durchzählung der Häftlinge statt. Fehlte jemand, mussten alle anderen bei jeder Witterung so lange stehen bleiben, bis der Geflüchtete gefunden wurde. In der Mitte des Platzes befindet sich der Galgen. Dieser diente der öffentlichen Hinrichtung Gefangener, die sich nicht an die Regeln hielten. Zusätzlich schreckte es die anderen ab, sodass diese den NS-Leuten gehorchten.
Von den damaligen Baracken sind heute nur noch die Fundamente übrig. Eine der Baracken wurde wiederaufgebaut und wird heute als Museum genutzt. Die Holzbaracken bestanden jeweils aus zwei Blocks, welche 50 auf 8 Meter maßen. Sie waren mit dreistöckigen Betten, Spinten, Tischen und Bänken ausgestattet. Ab 1944 teilten sich zwei oder drei Gefangene eine Bettstelle. In den Baracken roch es nach Schweiß und Fäkalien, da die Waschmöglichkeiten begrenzt waren. So gab es keine Privatsphäre.
Danach begaben wir uns, vorbei am Todesgraben, zum Krematorium. Es ist mit Abstand der scheußlichste Ort im ganzen Lager. Noch kurz vor Schließung des Lagers wurden dort alle Leichen verbrannt und so viele Gefangene wie möglich getötet. Allein schon dies zeigt das menschenverachtende Gesicht der NS-Diktatur. Der Ofen war im Dauerbetrieb und der Kamin rauchte nur noch. Wer als Gefangener dort hineinkam, war sich seines Todes sicher.
Nicht weniger Furcht einflößend ist der Strafblock des Lagers, in welchem grausige Zustände herrschten. Im sogenannten „Bunker“ wollten die SS-Leute mit Stockschlägen und weiteren brutalsten Misshandlungen, wie das Einsperren eines Häftlings in eine winzige Zelle, in der er weder aufrecht stehen noch sich hinlegen konnte, den Überlebenswillen der dort Eingepferchten brechen. Direkt neben dem Bunker liegt die Aschegrube, heute eine Gedenkstätte. Wir verharrten dort eine Weile, betrachteten die Gedenktafeln und hielten eine Schweigeminute ab.
Von dort begaben wir uns in das Museum, im welchem wir uns aufwärmten, und die außergewöhnlichen Informationen und Dokumente aus der Forschung bestaunten. Das Museum war eine Baracke, welche infolge von Brandstiftung zerstört, erneut aufgebaut und dann als Museum genutzt wurde.
Nach einer kurzen Pause, in der wir uns stärkten, fuhren wir mit den Bussen zu der Gaskammer, in der über hundert Menschen in den Tod geschickt wurden, unter ihnen 86 Frauen und Männer jüdischer Abstammung. Joseph Kramer hatte selbst das Gas in die Kammer geleitet, um mit den so Getöteten eine Sammlung jüdischer Skelette für die Reichsuniversität Straßburg zusammenzustellen. Die Gaskammer wurde aber hauptsächlich für Experimente von Nazi-Pseudo-Wissenschaftlern genutzt. Zum Beispiel experimentierte man mit Senfgas und Phosgen-Gas.
Der Besuch löste in uns große Betroffenheit aus. Auch wenn sich keiner von uns das Grauen wirklich vorstellen konnte, so fühlten wir das beispiellose Leid der Menschen an jenen Orten des grausamen Geschehens besser als im Klassenzimmer. Deshalb sollte der Besuch in einem Konzentrationslager für jede Schulklasse Plicht sein.
Lilly Prögel, Sophia Prokhorov 9b