Ein neuer Blick auf die Vergangenheit

Am Freitag, den 5. April, wurde die Klasse 9c von zwei Karlsruher Zeitzeugen aus der Zeit des 2. Weltkriegs und der Nachkriegszeit besucht. Herr Lustig und Herr Schwarz, beide heute 86 Jahre alt, lieferten den Schülerinnen und Schülern aufregende, erstaunliche und nicht zuletzt – trotz der widrigen Umstände, die sie erlebten – lustige Geschichten aus ihrer Kindheit und Jugend. Das für die Klasse einmalige Erlebnis wurde von ihrer Lehrerin, Frau Benesch, per Kamera aufgezeichnet.
Herr Lustig und Herr Schwarz zeigten der Klasse zu Beginn jedoch erst einmal, was es bedeutete in dieser Zeit gelebt zu haben: Aufgrund der massiven Bombardierung der Zivilbevölkerung war ihre Heimatstadt, Karlsruhe, kaum wiederzuerkennen. Herr Schwarz zeigte der Klasse viele Bilder von bekannten Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel dem Karlsruher Schloss, die total zerstört waren und die Klasse in Sprachlosigkeit versetzten. Beide Herren erzählten auch, wie oft sie in den Luftschutzkeller flüchten mussten; dies ging sogar so weit, dass Herr Lustig sich dazu entschloss in besagtem Luftschutzkeller zu schlafen, um seine Familie, die Mühe hatte ihn bei einem Bombenangriff wach zu bekommen, zu schützen. Sein Bruder erlitt eine schwere Kopfverletzung durch eine dicke Holztür, die aufgrund des enormen Druckes aus den Angeln gerissen wurde und direkt auf seinen Kopf schlug. Dies machte den Schülerinnen und Schülern klar, was für eine Kraft hinter den Bomben steckte.
All dies hielt die beiden Herren jedoch nicht davon ab, ihren Spaß zu haben. Herr Lustig erzählte von improvisierten Wippen aus Flugzeugtrümmern und kleinen Knallern aus Handgranatenresten und alten Bomben. Letzteres erstaunte nicht nur die Klasse, sondern auch Frau Benesch.
Als der Krieg vorbei war, waren Lebensmittel sehr knapp und wurden streng rationiert. Hierzu erzählte Herr Schwarz eine Geschichte, die man so wahrscheinlich in keiner normalen Geschichtsstunde hören würde. Er und ein paar Freunde wollten Gurken aus einem Garten klauen, um diese bei den in der Nähe stationierten Amerikanern gegen Süßigkeiten einzutauschen. Sie wurden erwischt, konnten jedoch –nach einer gehörigen Tracht Prügel- folgende Abmachung mit dem Besitzer treffen: Sie konnten die Gurken eintauschen, wenn sie ihm jedes Mal eine Zigarette mitbrachten. So entstand für Herr Schwarz und seine Freunde eine eigene, kleine Handelskette. Ein Einblick in den Alltag der Menschen nach dem Krieg, den man so nicht (mehr) oft bekommt!
Zu guter Letzt erzählten Herr Schwarz und Herr Lustig Geschichten, die ein weiteres Mal deutlich machten, wie frei die Kinder und Jugendlichen damals waren, da ihre Eltern sich ganz andere Sorgen hatten: Sie mussten sich um Essen, Unterkunft und den Wiederaufbau des Landes kümmern. Herr Schwarz baute sich aus in den Trümmern gefundenen Teilen ein Fahrrad zusammen und fuhr damit mit Freunden, zum Bodensee, dann zur Zugspitzen und schlussendlich sogar bis nach Venedig. Auch Herr Lustig erlebte viele Abenteuer in dieser Zeit, von Zelten mit zwei Dritteln eines alten Militärzelts, bis zum Probieren von Pferdefleisch und den Erlebnissen der ersten Tanzstunden nach dem Krieg, inklusive des nach-hause-Bringens der letzten Tanzpartnerin des Abends, egal, wie weit weg diese wohnte.
Rückblickend lässt sich sagen, dass den Schülerinnen und Schülern der Klasse 9c ein neuer und ganz anderer Blickwinkel auf die Geschehnisse gegeben wurde. Herr Lustig und Herr Schwarz zeigten allen Anwesenden, wie Kinder damals gelebt haben und, dass man damals auch ohne Smartphone und Computer und trotz Armut, Hunger und Trümmern eine, aus Kindersicht, schöne Kindheit haben konnte. „Wisst Ihr, für uns ging es immer nur bergauf, wir hatten ja nichts.“
Die Klasse war interessiert an den Geschichten und überaus dankbar für dieses einzigartige Erlebnis. Ich persönlich hoffe, dass auch zukünftige Klassen und Generationen diese tollen Geschichten zu hören bekommen können. (Max Büchel, 9c)
Mein Appell an alle: Unterhaltet Euch mit den Zeitzeugen Eurer Geschichte, denn zu wichtigen Themen wie z.B. dem 2. Weltkrieg haben wir bald keine mehr! Redet mit Euren Ur/großeltern , Nachbarn…schreibt Ihre Erzählungen auf, filmt sie (wenn sie das gestatten), nur so können wir bewahren, was sie aus erster Hand zu erzählen haben!

Ein großes Dankeschön an die Klasse 9c, die Herrn Lustig und Herrn Schwarz sehr nett empfangen und es ihnen leicht gemacht hat, sich in der Klasse wohlzufühlen! Die beiden Herren waren sehr gerührt von der Erklärung, dass – aus Respekt vor ihrem Besuch – alle Schüler in Jeans statt den üblichen Jogginghosen erschienen waren.

Ein neuer Blick auf die Vergangenheit