Besuch von Prof. Dr. Peter Müller am Goethe-Gymnasium anlässlich des 500- jährigen Reformationsjubiläums

„Wer von Ihnen kann mir sagen wie Kaffee riecht?“ – anhand dieser Frage erklärte der Karlsruher Theologe Professor Dr. Peter Müller den Schülerrinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 2  am Donnerstag,  den 26. Oktober die Komplexität des Glaubens.  Anlässlich des 500. Jubiläums des Reformationsjahres referierte der Theologieprofessor vor Schülerinnen und Schülern, sowohl der evangelischen und katholischen Kurse als auch vor Teilnehmern des Ethik-Kurses, über den Reformator Martin Luther. Zunächst stellten Schüler des Religionskurses von Herrn Olaf Bernhardt Fragen zu seiner eigenen Person: Prof. Dr. Peter Müller berichtete von seiner frühen Prägung durch ein christliches Elternhaus, wodurch er bereits früh mit dem Glauben in Kontakt kam. Nach seiner Konfirmation und der drauf folgenden Arbeit in der Kirchengemeinde entschloss er sich erst kurz vor dem Abitur für ein Studium der Theologie. Entscheidend für seine Wahl war damals, dass ihm die dieses Studienfach die Möglichkeit gab, sich mit Gott und der Welt zu beschäftigen.

Als Einstieg in seinen Vortrag bat Prof. Dr. Peter Müller die Schülerinnen und Schüler im Plenum Gedanken über die Frage ,,Was bedeutet Freiheit für mich?´´ auszutauschen.  Eine Vielzahl der Gefragten kam zu dem Schluss, dass Freiheit hauptsächlich mit Begriffen wie ,,Meinungsfreiheit´´ oder aber auch ,,Recht auf freie Entscheidungen´´ assoziiert werden kann. Anschließend verglich der Theologe die Schüleraussagen mit Äußerungen verschiedener Philosophen und Politiker, wie Jean -Jacques Rousseau oder auch Nelson Mandela.

Nach der allgemeinen Einführung ging er in drei Stationen auf das Wirken Martin Luthers ein. Zuerst thematisierte er die zentrale Schrift des Reformators ,,Von der Freiheit eines Christenmenschen´´.  Diese Schrift enthält zwei Kernthesen, welche im ersten Augenblick einen Widerspruch in ihrer jeweiligen Aussage vermuten lassen. Während sich die erste These (,,Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.´´) auf den inneren Menschen bezieht, thematisiert die zweite These (,, Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht  aller Dinge und jedermann untertan.´´) den äußeren Menschen.  „Letztendlich will Luther damit sagen, dass nicht Werke, sondern der Glaube den Menschen frei macht“, so Prof. Dr. Peter Müller.

Nachdem allen die zentralen Aussagen Luthers bekannt waren, ging er auf die Reaktionen des damaligen Oberhauptes der katholischen Kirche, Papst Leo X., ein. Dieser drohte Luther den Kirchenbann an, weshalb er sich vor dem Reichstag zu Worms verantworten musste. Hier berief sich Luther auf sein Gewissen und widersetzte sich öffentlich der staatlichen und kirchlichen Autorität. Er leistete somit eine wichtige Vorlage für selbstständiges Denken und Mündigkeit, welche bis heute nachwirkt.

Abschließend ging der Vortragende auf den Umgang Luthers mit andersdenkenden Menschen seiner Zeit ein. Luther sprach sich vor allem für Zwanglosigkeit und Individualität aus und kritisierte Fanatismus sowie das Anbeten und Verehren von Heiligenbildern und Reliquien.

Am Schluss des Vortrages wurde die Frage aufgeworfen, ob Luthers Freiheitsvorstellung heute noch relevant ist. Durch die Reihen hinweg war auf diese Frage hin ein klarer Konsens erkennbar. Die Zuhörer waren sich einig, dass zu Lebzeiten Luthers andere physische Umstände als wir sie heute vorfinden, herrschten. Dennoch sind die geistigen Ansätze, welche Martin Luther hervorbrachte, für die meisten auch heute noch relevant. Der Theologieprofessor ergänzte, dass die Themen Luthers heute auf einer anderen, abstrakteren Ebene betrachtet werden müssen. Gerade die Aussage, dass jeder Mensch eine individuelle Freiheit besitzt, sei in Anbetracht aktueller globaler Entwicklungen als besonders wichtig anzusehen.

In der abschließenden Fragerunde kamen jedoch von Schülerseite auch kritische Worte zur Person Luthers. Ein französischer Gastschüler aus Paris, dessen Großmutter Holocaustüberlebende ist, erkundigte sich bei Prof. Dr. Peter Müller nach Luthers Einstellung gegenüber Juden. Dieser klärte auf, dass Luther den Juden die Kreuzigung Jesu vorwarf und sie deshalb Zeit seines Lebens verabscheute. In diesem Zusammenhang rief er auch zu Vorsicht mit Luther-Denkmälern auf, denn, so Prof. Dr. Peter Müller: „Luther war kein Heiliger.“ Auch wollten einige Schüler wissen, welche Rolle der Theologieprofessor der Religion in 100 Jahren zuschreiben würde. Dieser sprach von einer „steigenden Religiosität in allen gesellschaftlichen Schichten“, trotz sinkender Mitgliederzahlen in den etablierten Kirchen. Ein weiter Punkt, welcher zur Sprache gebracht wurde, war die Frage nach dem Nebeneinander bzw. der Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft. Der Vortragende erklärte, dass die Wissenschaft die Beschreibung der Welt sei, während der Glaube die Deutung der Welt übernehme. Beide seien also koexistent und komplementär und stünden in keinem notwendigen Widerspruch zueinander.

Anlässlich des 500-jährigen Reformationsjubiläums ist auch eine neue Übersetzung der Luther-Bibel erschienen. Um diese Neuauflage drehte sich die letzte Frage an Prof. Dr. Peter Müller. Gefragt wurde nach der Sinnhaftigkeit der neuen Übersetzung. „Luthers Grundgedanke war es, die Bibel jedem zugänglich zu machen, also sie für jeden lesbar zu übersetzen. Da sich die Sprache allerdings ändert, muss auch die Luther-Bibel angepasst werden“, erklärte Prof. Dr. Peter Müller.

Obwohl die Frage nach dem Geruch von Kaffee während des Vortrages nicht mehr abschließend geklärt wurde, haben alle anhand dieses etwas ungewöhnlichen Beispiels realisiert, wie schwer es ist, den Begriff „Glauben“ zu definieren.

Vielen Dank Herr Prof. Dr. Peter Müller für die vielen Einsichten und den Dialog, den Sie mit uns geführt haben!

(Simeon Käser / Fabian Rickers)

Besuch von Prof. Dr. Peter Müller am Goethe-Gymnasium anlässlich des 500- jährigen Reformationsjubiläums